Huch-Medien

Selten liest man so schlaue Sätze wie diese hier: “Der Neoboulevard lebt davon, dass Menschen sich anders geben als sie eigentlich sind. Er lebt von der Pseudoinszenierung, von gefärbten Haaren, tiefen Dekolletes, von allem, wo Menschen “Huch” sagen können. Spiegel Online ist “Huch”-Medium par excellence.” (Falk Lüke über die Berichterstattung über twitternde Politiker wie Hubertus Heil von der SPD.) Huch-Medien. Ich würde mir wünschen, dass der Begriff Schule macht. Zumindest ein bisschen. Vielleicht fragt sich dann auch mal jemand: Huch, läuft da nicht was schief, hier in diesem Netz?

September 11, 2008 · 1 min · Titus Gast

Fernsehen im Netz

Ein paar interessante Gedanken und Erfahrungsberichte zu Web-TV sind gerade bei “Fliegendes Auge” zu lesen. Und die Einladung zur Diskussion “Was unterscheidet Web-TV von Fernsehen”. Die Frage sollten vielleicht besser Fernsehleute beantworten. Ich kann nur als Nutzer und Produzent kleinerer Web-Videos sagen, was ich sehen will und was eher nicht so sehr. Wahrscheinlich liegt die Wurzel allen Übels schon in den verwendeten Vokabeln. Denn: Web-TV ist einfach ein großes Wort. Das klingt, als wollte man einen Fernsehsender im Netz aufziehen, der das herkömmliche Fernsehen womöglich ersetzt. Das ist in den meisten Fällen wahrscheinlich einfach Größenwahn. Abgesehen davon schränkt der Begriff inhaltlich ein, suggeriert er doch, dass es hier darum ginge, einfach Fernsehen zu machen – mit all seinen Stilvorbildern, Erzählformen, Stärken und Schwächen. Weil aber die Nutzergewohnheiten im Web anders sind (Web-TV ist ja nicht IPTV), muss es auch Unterschiede geben. Das ist bei anderen Medien auch so: Als Radio und Fernsehen entstanden, wurde ja auch nicht einfach aus der Zeitung vorgelesen, sondern es haben sich sehr schnell ganz eigene Darstellungsformen entwickelt. Die Schwierigkeit besteht darin, dass man sich halt nur an dem orientieren kann, was man kennt – und das ist herkömmliches TV. Also setzt sich da auch schon mal jemand hin und liest Nachrichten vor wie die Tagesschau – nur so schlecht, dass sich jeder offene Kanal auf die Schenkel klopft. Man muss sich – egal bei welchem Medium – schon überlegen: Wo liegen unsere Kompetenzen? Was können wir gut, wo sind unsere Leute stark? Ganz ehrlich: Bei den wenigsten Zeitungen und reinen Online-Redaktionen dürften z.B. die eigenen Leute begnadete Sprecher und Moderatoren sein. Also muss man seine Videos so machen, dass solche Mängel nicht offensichtlich werden oder sich ggf. Profis ins Haus holen. Das andere sind natürlich die Bilder: Nicht jedes Ereignis liefert die Bilder, die die Nutzer in Scharen ein Video anklicken lassen, und nicht jeder Reporter ist ein begnadeter Kameramann. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob man den Video-Bereich in Zeitungsredaktionen zwangsläufig komplett bei Online-Redaktionen ansiedeln sollte oder ob da nicht der eine oder andere Fotograf ganz sinnvoll zuarbeiten könnte. ...

December 9, 2007 · 3 min · Titus Gast

Die Podcast-Fälscher

Man nehme eine Audiodatei, stelle sie ins Netz, nenne das Ganze “Podcast”, und schon ist man superhip, megamodern und ja so was von 2.0, dass es ganz aus ist. Da ist was dran: Aus ist es tatsächlich. Nämlich aus mit dem Traum vom Podcast: Einfach Audiodateien zum Download anbieten, das hat mit Podcasting schließlich ungefähr so viel zu tun wie das Verschicken von Kassetten mit Radio. Es ist natürlich nicht weiter verwunderlich, wenn irgendwelchen kleinen Familienfirmen, die gerade erst das Internet entdeckt haben, das technische Know-How fehlt, um einzelne Audiodateien zum Download von einem regelmäßigen und vor allem automatisiert via Feed abrufbaren Angebot unterscheiden zu können. Dass aber auch ein nicht gerade kleines Unternehmen wie die Lufthansa diesem Irrtum aufsitzt, ist doch erstaunlich: Die Fluggesellschaft bietet seit einiger Zeit professionell produzierte, kleine ...

July 20, 2007 · 1 min · Titus Gast

Wir sind überflüssig

Spannende Meldung, die da u.a. bei sueddeutsche.de zu lesen ist: Laut einer Umfrage sind Blogs für mehr als die Hälfte der Befragten überflüssig. Interessant sind dabei zwei Dinge: Die Rede ist in der Meldung von Blogs und Chats. Von unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf die beiden “Kommunikationsformen” wird nicht berichtet. So was legt natürlich den Schluss nahe, dass selbst die Autoren der Studie sich nicht so genau darüber im Klaren waren, was sie da fragen, denn die beiden Dinge in einen Topf zu werfen, erscheint doch zumindest methodisch und sachlich fragwürdig. Ebenso geht aus der Meldung nicht hervor, wie viele dieser 52 Prozent, die Blogs und Chats für überflüssig halten, Blogs und Chats auch kennen oder gar nutzen. Die Zahl derer, die Online-Medien insgesamt oder auch Zeitungen für überflüssig halten, dürfte schließlich auch erschreckend hoch sein, je nachdem wen man wie fragt. Normalerweise würde man in Fällen wie diesen sagen: Überflüssige Meldung, überflüssige Umfrage. Dumm ist nur, dass die jetzt wahrscheinlich in allen möglichen einschlägigen blog-kritischen Publikationen die Runde macht – ohne nach den Ursachen oder gar Hintergründen zu fragen. Tatsächlich sind die 52 Prozent auch keine schlechte Zahl: Das bedeutet, dass immerhin 48 Prozent (glauben zu) wissen, was Blogs und Chats sind. Das könnte man auch getrost als sensationell bezeichnen.

April 22, 2006 · 1 min · Titus Gast

Eine wahre Geschichte aus dem vereinigten Europa

Ja, die gastauftritt-Sommerpause ist etwas lang geraten. Sollte sie eigentlich gar nicht, aber ich hatte ein paar wichtige Dinge an einem schönen Sandstrand etwas weiter südlich von hier zu erledigen… ;-) Und dabei ist mir auch etwas passiert, was vielen deutschen Urlaubern (nicht nur in Italien) passiert: Man hört einen Song im Radio, der einem wahnsinnig gut gefällt. Man beschließt: Haben will… Ach was, haben muss! Und dann marschiert man nach der Rückkehr als allererstes virtuell in den Downloadshop seines Vertrauens, um das Stück und vielleicht noch ein paar weitere auf legalem Wege käuflich zu erwerben, denn wofür sind wir denn in diesem vereinigten Europa? Eben. Da ist es ja wohl das Mindeste, dass ich mir irgendwo auf legalem Wege einen italienischen Song runterladen kann. Wir haben mittlerweile immer mehr ähnliche Gesetze, fast die gleichen Straßenschilder, die gleichen Probleme, das gleiche Geld (leider mittlerweile auch die gleichen Preise in den Restaurants), hören bis auf wenige nationale und regionale Künstler sowieso überall die gleiche Musik, also sollte die wenige nicht gleiche Musik ja auch in den (gleichen) legalen Downloadangeboten geben. Äh, jein, ruft da die Musikindustrie dazwischen. Oder, wie es der iTunes Music Store auf meine verzweifelte Anfrage hin formuliert: “In Übereinstimmung mit den Verträgen zwischen Apple, den Interpreten und den Plattenfirmen steht der iTunes Music Store Einwohnern der folgenden Länder zur Verfügung. Unterstützte Zahlungskarten müssen von Banken in dem Land ausgestellt worden, in dem Sie wohnhaft sind. (…) Kunden außerhalb dieser Länder können iTunes verwenden, um im iTunes Music Store zu stöbern, Hörproben anzuhören und Videos anzusehen.” Im Klartext: Selbst mit meiner überall in Europa gültigen Kreditkarte kann ich meinen italienischen Song nicht kaufen. Ich würde sogar das doppelte dafür bezahlen, aber ich darf nicht. Denn das Ding ist bislang nur in Italien veröffentlicht, also nur in der italienischen Version des iTMS zu haben. Ich darf 30-Sekunden-Schnipsel vorhören, sogar von jedem einzelnen Song auf jedem Album, aber den einen Song, der mein Herz an kalten Wintertagen erwärmen soll, den wollen sie mir nicht geben, obwohl sie ihn haben und in Italien auch anbieten. Aber hier ist eben Deutschland. Irgendjemand will das so – und ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Musiker selbst sind oder dass der Betreiber des Shops sich diesen Blödsinn ausgedacht hat. O.k., denke ich mir, du bist ein mündiger Konsument, kaufste dieses blöde Lied halt woanders. Woanders? Woanders gibt’s entweder gar nicht, oder woanders ist mein Betriebssystem nicht erwünscht oder woanders habe ich auch den falschen Wohnsitz, das falsche Bankkonto usw. Da hör ich schon die ersten rufen: “Du blöder Internetsüchtiger, dann kauf halt eine richtige CD!” Ja, mein verzagtes fernwehgeplagtes Herz schöpft wieder Mut: Eine richtige CD, mit Booklet und allem drum und dran, die fünf Euro mehr ist mir dieses Album wert. Denn vorhören durfte ich ja im Netz, und das Album gefiel mir richtig gut. Also schau ich voller Hoffnung, ob ein großer Versandhändler mein Kaufbedürfnis befriedigen kann. Er kann tatsächlich. Ich müssste eine Woche warten, aber auch das nähme ich in Kauf. “Meins, meins, meins, endlich meins!”, denke ich mir, klicke schon auf den Einkaufswagen, da sehe ich den Preis: 22,99. Nicht Mark. Sondern Euro. Wahrscheinlich, weil es eine besonders tolle “Importware” ist oder so was. Fast 45 Mark für eine CD? Aus Italien? Nein, so viel ist mir mein Traum von Urlaubsstimmung an kalten Herbsttagen nicht wert. Etwas wie “freier Verkehr von Personen, Gütern und Kapital” durchzuckt meine Gedanken. Ich muss hysterisch lachen. Ich darf im richtigen Leben ungestraft 30 Liter Wein und diverse Spirituosen einführen, werde an den Grenzen nicht kontrolliert, aber sobald ich im Internet etwas bestelle, sind die abgeschafften Grenzen wieder da… Ich muss heute wählen gehen. Ich habe die Wahl zwischen Pest und Cholera. Freiheit ist nicht dabei. Und meine Musik schon gleich gar nicht. Armes Europa! ...

September 18, 2005 · 4 min · Titus Gast